Rekonstruktion der Hochwasserausdehnung 1993 in Eberbach
Dec 12th, 2014 by Benjamin Herfort
von Robin Hintzen, Yan Zhou, Marius Zipf
Das Hochwasser im Jahr 1993 in Eberbach ist dem Großteil der Anwohner als ‚historisches Jahrhunderthochwasser‘ in Erinnerung geblieben. Im Rahmen des Geländepraktikums „Katastrophenmanagement: Disaster Risk Mapping und Risikobewusstsein“ wurden verschiedene Daten zu Hochwasserschutzvorrichtungen, Pegelständen, persönlichen Erfahrungen usw. mithilfe von jedermann zugänglichen Werkzeugen (kostenfreie Apps) und direkten Befragungen erhoben. Im Fokus der hier behandelten Fragestellung ist das Potenzial von nutzergenerierten Informationen zur Rekonstruktion der Überflutungsfläche während des genannten Hochwasserereignisses.
Die Rekonstruktion basiert ausschließlich auf den Informationen, welche durch Interviews mit den Bewohnern Eberbachs vor Ort gewonnen werden konnten. Die wichtigsten Kriterien bilden die genaue Position des Wohnsitzes der Befragten und die aus der Erinnerung der Anwohner heraus gezeichnete Ausdehnung des Hochwassers im Jahre 1993 („Mental Map“). Insgesamt konnten auf diese Weise aus 37 Befragungen individuelle Überflutungskarten ermittelt werden, welche die Grundlage der Analyse darstellen. Hierbei wurden zwei verschiedene Ansätze verfolgt, welche im Folgenden vorgestellt werden.
Ansatz 1
Die Verknüpfung aller individuellen Überflutungsflächen resultiert in einer potentiellen Gesamtüberflutungsfläche, welche aus den Mental Maps rückgeschlossen werden kann. Unter der Annahme, dass die Aussagekraft des ermittelten Überflutungsgebietes umso höher ist, je mehr Mental Maps sich überschneiden, wurden Wahrscheinlichkeitsabstufungen hinsichtlich der Wahrheitstreue der Aussagen eingeführt. Zu diesem Zweck wurden die individuell gezeichneten Überflutungsflächen miteinander überlagert und in Klassen eingeteilt. Um absolute Wahrscheinlichkeitsaussagen in Form von prozentualen Werten zu vermeiden, wurden relative Angaben (‚sehr hohe‘ bis ‚sehr geringe‘ Wahrscheinlichkeit) gewählt. Stadtbereiche mit 35 – 37 sich überschneidenden Mental Maps (Klasse A) spiegeln somit beispielsweise eine mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit überflutete Fläche wider.
Ansatz 2
Eine zweite Methode zur Rekonstruktion der Hochwasserfläche bietet die Einbindung des Wohnstandortes. Davon ausgehend, dass sich die Anwohner in unmittelbarer Umgebung um ihren Wohnsitz besser auskennen als weiter davon entfernt, können erneut Wahrscheinlichkeitsabstufungen in Bezug auf die Aussagekraft der Befragten konstruiert werden. Dazu werden Buffer mit einem Radius von 200m um die Wohnstandorte gezogen. Die Überschneidungsfläche von jedem Buffer mit der jeweiligen dazugehörenden Mental Map des dort Befragten bilden letztlich wahrscheinlich überflutete Flächen. Auch hieraus ergeben sich für alle 37 Interviewten Überflutungsflächen (sogenannte „Plausibilitätsflächen“), welche ebenfalls miteinander überlagert und klassifiziert werden. Nach demselben Prinzip wie im ersten Ansatz resultiert eine Karte mit Stadtbereichen, wo sich viele bzw. wenige Plausibilitätsflächen überlappen, welche mit hoher bzw. geringer Wahrscheinlichkeit überflutete Gebiete kennzeichnen.
Ergebnisse
Beide Ansätze führen zu Ergebnissen, mit welchen mehr oder weniger unterschiedliche Aussagen getroffen werden können. Es fällt auf, dass die Gesamtüberflutungsfläche identisch bleibt, da sie in beiden Fällen durch die Gesamtheit der individuellen Mental Maps begrenzt wird. Das Zentrum der mit hoher Wahrscheinlichkeit überfluteten Stadtgebiete verlagert sich jedoch stark. Im ersten Ansatz resultieren parallel zum Neckar verlaufende horizontal gestreckte Klassenflächen, welche sich halbkreisförmig nach Norden ausdehnen. Die Fläche mit der höchsten Überflutungswahrscheinlichkeit befindet sich unmittelbar am Flusslauf, wohingegen diese im zweiten Ansatz in die Stadtmitte rückt. Die Klassenflächen stellen hier eine eher kreisförmige Geometrie dar, welche sich mit abnehmender Wahrscheinlichkeit etwa konzentrisch vom Zentrum ausdehnen.
Um die Ergebnisse annäherungsweise mit der realen Überflutungsausdehnung vergleichen zu können, werden sie in der Abschlusskarte mit der offiziellen Hochwassergefahrenkarte des LUBW für ein Jahrhunderthochwasser abgebildet.
Kritik & Fazit
Die Ergebnisse sind insofern kritisch zu beurteilen, da im Laufe der Prozessierung Entscheidungen getroffen werden mussten, welche starken Einfluss auf das Endergebnis nehmen.
Zum Zwecke besserer Vergleichbarkeit wurde in beiden Ansätzen dieselbe Klassenanzahl gewählt, dessen Unterteilung und Klassenbreiten jedoch subjektiv bestimmt wurden. Genauso ist die sichere Aussagekraft bezüglich der Plausibilitätsflächen willkürlich auf einen Radius von 200m geschätzt worden, obwohl das Erinnerungsvermögen der Befragten ohne Zweifel über diesen Umkreis hinausgeht. Darüber hinaus lassen sich bei einer kleinen Stichprobengröße von 37 Befragungen keine verallgemeinernden Aussagen treffen. Bereits einige Befragungen mehr oder weniger sowie die zufällige Auswahl anderer Interviewteilnehmer hätten einen nachhaltigen Einfluss auf die Geometrie der Ergebnisflächen haben können.
Alles in allem lässt sich jedoch festhalten, dass nutzergenerierte Daten ein Potenzial beherbergen, dass zur Rekonstruktion von Überflutungsflächen mit konkreter räumlicher Ausdehnung führen kann. Der visuelle Vergleich zwischen den hier vorgestellten Ergebnissen und der Hochwassergefahrenkarte der LUBW verdeutlicht diese Schlussfolgerung.